Kaputtes Fundament (Mai 2023)

Unsere Branche ist kaputt. Das heißt nicht, dass wir nicht den ein oder anderen gelungenen Auftritt haben und dann auch wieder den Sinn unserer Arbeit erleben dürfen. Aber das Fundament ist kaputt. Unsere Branche hat sich den Regeln der Politik unterworfen, es ist uns nicht gelungen, uns davon zu befreien. Auch wenn die letzten Verordnungen endlich ausgelaufen sind, sie haben mich mürbe gemacht. Sie haben mich müde gemacht, sie haben mir den Elan genommen. Die unendliche Bürokratie, die „Hilfen" haben mich ausgelaugt. Ich sitze immer noch an irgendwelchen Abrechnungen von irgendwelchen Geldern, die uns als „Hilfen" verkauft wurden und Almosen waren. Bürokratie als Beschäftigungstherapie während des Berufsverbotes.

Ich habe Kritik geäußert, aber sie war zu kleinteilig und zu leise. Sogar leise Kritik zu äußern war schwer genug gegen die, die alles besser wussten. Das politische System hat mich zerrieben und gespalten. Es hat mir den Atem genommen und mir Gehorsam beigebracht. Erst wenn wir brav mitspielen, dürfen wir wieder spielen. „Nicht mehr lange!" hieß es, „bis ihr wieder auf die Bühne dürft. Nur noch ein bisschen warten, bis ihr wieder feiern dürft. Seid geduldig! Seid solidarisch! Seid gehorsam! Dann lassen wir euch wieder von der Leine".

Staatlich verordnete Medizin in täglicher Dosis. Gegen was? Gegen Wörter, die mal schön waren. Denn Begriffe wurden missbraucht, um Menschen gefügig zu machen - ob sie das wollten oder nicht, spielte keine Rolle. „Solidarität" beispielsweise bedeutet für mich füreinander einzustehen und aus freiem Willen helfen zu wollen. Aber nichts war mehr freiwillig in den letzten Jahren. Parolen wie „Zusammen gegen Corona" wurden in ihrer Bedeutung verdreht, um Menschen zu isolieren und vom öffentlichen Leben auszuschließen. Damit wurde ihnen die soziale Teilhabe genommen. Ihnen wurde ihr Recht auf Kultur weggenommen durch 2G- oder 3G- Regeln. Solidarisch verhält sich die Politik auch heute nicht den Menschen gegenüber, die an Nebenwirkungen oder starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die Impfung leiden und sich aus „Solidarität" - wie ihnen in groß angelegter Werbekampagne eingetrichtert wurde -, haben impfen lassen.

Aber wenn Wörter neu definiert werden im Sinne einer Verordnung, macht mich alleine das schon sehr misstrauisch. Und erst Recht, wenn positiv konnotierte Ausdrücke wie „Solidarität" verwendet werden, um Menschen gefügig zu machen. Wenn dann Menschen, weil sie eine andere Meinung haben, ausgegrenzt werden, entspricht das nicht meiner Vorstellung eines kulturellen Miteinanders. Und die Kulturbranche hat leider relativ kritiklos dabei mitgemacht. Sie hat eine politische Imagekampagne unterstützt, die sich gegen die Mitmenschlichkeit, gegen den freien Willen, gegen den gesellschaftlichen Zusammenhalt richtete, indem sie zugelassen hat, dass Menschen eingeteilt wurden in zwei Gruppen: Die Geimpften und die Ungeimpften. Später sogar nur die dreifach Geimpften, die sogenannten „Geboosterten", die an Veranstaltungen teilnehmen konnten und die Ungeimpften, Menschen zweiter Klasse, die nicht mehr rein durften. Spätestens an diesem Punkt war es vorbei mit der Menschlichkeit und dem Zusammenhalt. Der Zusammenhalt lässt sich auch nicht so einfach wiederherstellen, denn Ausschluss ist eine Demütigung, die sich nicht so leicht vergeben und vergessen lässt.

Und jetzt? Es wundert nicht, dass wir vor einem Scherbenhaufen stehen. Unsere Berufsverbände haben sich lediglich auf den finanziellen Ausgleich konzentriert. Ihr Ziel war es, innerhalb der geltenden Regeln „Kultur" zu ermöglichen. Kultur, die Regeln in Frage stellt, war damit ausgeschlossen. Die Freiheit, die Kunst braucht um zu existieren, wurde ad acta gelegt. Und so werden weiterhin Worthülsen aus vergangenen Zeiten auf Bühnen gesprochen, Kopfgeburten zu irgendwelchen Themen, die die gegenwärtige Situation und den kulturellen Verlust einfach ausklammern. So als wäre nie etwas passiert.

Einfach ist es für die, die sich daran gewöhnt haben, Gelder zu erhalten. Die Anträge stellen, Verwendungsnachweise abgeben, sich mit Zahlen und Kontoauszügen befassen, Papierberge abarbeiten, Nähe zur Politik herstellen und deren Maßnahmen einhalten. Die Verständnisfragen zu Verordnungen stellen, den richtigen Zeitpunkt nutzen, um künstlerisch aktiv zu sein, aber natürlich nur dann, wenn es erlaubt war. Die Themen aufgreifen, die erlaubt sind. Die das System stabilisieren beim „solidarischen" Mitmachspiel des Regel-Wirrwarrs. Die Kultur innerhalb der geltenden Verordnungen machten, so wie es gewünscht war. Um die Uhrzeit, in der es erlaubt war. Sprechen, wenn es erlaubt war. Schweigen, wenn es verordnet wurde. Anschalten und Abschalten nach Inzidenzkurve. Die institutionell geförderte Kultur hatte bereits vorher ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis und so ist es ihr vermutlich leichter gefallen mitzuspielen beim verlängerten Arm der Politik.

Und ein freier Geist wie ich, der sich nicht so leicht einfügen kann in unsinnige Regeln? Versuche zu verarbeiten, was die letzten Jahre passiert ist mit uns als Gesellschaft, mit uns Menschen. Was mit meiner künstlerischen Freiheit passiert ist, ob sie auch mir gänzlich abhanden gekommen ist. Davon geflogen durchs Fenster in ein Land, in dem es sich freier arbeiten lässt. Wo dieses Land ist, weiß ich nicht. Aber dieses Land ist es nicht. Auch jetzt nicht, wo wir wieder „dürfen". Denn erstmal müssten wir aufarbeiten, wie es überhaupt soweit kommen konnte. Und wenn es zu keiner Aufarbeitung kommt, wird ein Teil künstlerischer Freiheit gänzlich verloren gehen und durch staatlich verordnete „Kultur" ersetzt. Kultur wird dann eine weitere Worthülse sein. Der Stachel im System verwandelt sich zu einem Almosenempfänger mit einem Trostpflaster der Politik, notdürftig drauf geklebt auf eine Verletzung über die niemand spricht.

Das Publikum wird sich an dem erfreuen, was es kriegen kann. Doch einige von uns Künstler*innen spüren, wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, dass etwas Grundlegendes verloren gegangen ist: Unsere Freiheit. Und die ist unbezahlbar.
 
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