Spielen verboten! (Februar 2023)

Am 1. Februar 2023 endeten in Bayern die letzten „Corona-Maßnahmen“ wie die Maskenpflicht in Gemeinschaftsunterkünften und für Beschäftigte in Arztpraxen. Seit knapp drei Jahren war insbesondere Bayern, aber auch ganz Deutschland ein Vorreiter in strengen Regeln und Maßnahmen. Dabei blieb der gesunde Menschenverstand auf der Strecke, obwohl ständig über Gesundheit geredet wurde. Als Künstler*in live vor Publikum aufzutreten gehörte in den letzten Jahren zu den lebensgefährlichsten Berufen. Augen auf bei der Berufswahl! Wobei die größte Gefahr von Querflötenspielern ausging! (siehe oben abgebildete Verordnung aus dem Sommer 2021)

Entscheidend dabei war die alles beherrschende Kurve: die sogenannte Inzidenzkurve. Tagesaktuell. Mit zwei Wochen Verspätung. Spielen war oftmals verboten. Auf dem Spielplatz und auf der Bühne. Sitzen auf der Parkbank oder nachts spazieren gehen war auch verboten. Sport treiben war verboten. Nach dem ersten Lockdown waren in Bayern die Biergärten auf und die Schwimmbäder zu. Ein Platz im Schwimmkurs ist aktuell für Kinder wie ein 6er im Lotto. Auch gab es die Einteilung der Gesellschaft z.B. in systemrelevante Eltern, die ihre Kinder in den Kindergarten bringen durften, und in nicht systemrelevante Eltern, die ihre Kinder alleine betreuen mussten, so als müssten aus ihren Kindern  keine sozialen Wesen werden. Es gab Quarantäneverordnungen (bis zu zwei Wochen) für Kinder, in deren Gruppe ein Kind positiv getestet wurde.

Unzählig viele Kinder, die selbst nicht krank waren, standen unter „Hausarrest". Wollten sie früher raus aus dem häuslichen Gewahrsam, mussten sie sich „freitesten“. Familiäre Belastungen und Misshandlungen haben zugenommen. Es gab wenig soziale Kontrolle. Vieles ist sicherlich unbemerkt geblieben, da es kaum Sozialleben gab. Kinder durften zeitweise sogar nur ein weiteres Kind treffen. Welch Glück für sie, wenn das eine Kind nicht schon vergeben war. Stay home! Stay alone! Die Kindergarten und Schulschließungen in Deutschland gehörten zu den längsten in Europa. Wie eine Gesellschaft mit Kindern umgeht, sagt viel über sie aus. Aber auch Pflegeheimbewohner*innen vegetierten alleine und isoliert vor sich hin. Jede Infektion musste vermieden werden, auch wenn der Preis dafür ein unmenschliches Leben war.

Im Herbst 2021 durfte wieder live gespielt werden, nur nicht für alle. Gesunde Menschen ohne 2G-Nachweis (gültigen Impf- oder Genesenenzertifikat) mussten draußen bleiben. Menschen mit 2G Nachweis - mit oder ohne Husten - durften überall hin. Und ich bin heilfroh, mich nicht an dieser Ausgrenzung beteiligt zu haben, die in der Kulturbranche im Herbst 2021 plötzlich en vogue war. Wir haben in diesem Zeitraum nur online Angebote, vereinzelt Auftritte in Kindergärten und einen Auftritt draußen im Winter für alle gespielt. Es war ein sehr berührender Auftritt als Engel auf Stelzen und die Menschen waren überwältigt und glücklich, uns zu sehen. Manche wussten nicht, ob sie überhaupt mit uns sprechen durften oder lieber nur brav weiter Weihnachtseinkäufe machen sollten. Denn auch Lächeln konnte ja ansteckend sein.

Die politisch verordnete Einteilung in Geimpfte, die alles durften und nicht Geimpfte, die nichts durften, hat bis heute fatale Folgen für die betroffenen Personen und deren Kinder. Ein Teil der Gesellschaft durfte nur noch arbeiten und Steuern zahlen, aber nicht ins Café, nicht in die Bücherei, nicht ins Theater, nicht zum Sport, nicht ins Restaurant, nicht zum Friseur. Kein legales Treffen mit mehr als zwei Personen außerhalb des eigenen "Haushalts" war erlaubt. Die Rufe nach noch weiterer Demütigung waren täglich im Fernsehen zu hören und in den „sozialen" Medien zu lesen. Private Gesundheitsdaten waren das Ticket zur Teilhabe. Wer nicht mitmachte, war raus! Und keiner wusste, wie lange das Ganze noch gehen würde. Auch Jugendliche waren von dieser Ausgrenzung betroffen. Sie alle haben Diskriminierung erlebt, für die sich keine Diskriminierungsstelle zuständig fühlte.

Es gab ein ungeschriebenes Gesetz zu einem medizinischen Eingriff, für den es kein Gesetz gab. Einzig durch gesellschaftlichen Druck und sozialen Ausschluss. Arbeitsverhältnisse, Freundschaften und Beziehungen sind daran zerbrochen, die politisch verordnete Einteilung in unterschiedliche Menschengruppen hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Viele Menschen fühlten sich ihrer Würde beraubt, sind misstrauisch gegenüber der Gesellschaft geworden, wurden einsam und unbeachtet zurückgelassen. Angst hatten vermutlich fast alle. Die einen vor Ansteckung, Krankheit und dem Tod, die anderen vor den Folgen der Maßnahmen, vor Ausgrenzung und wie weit der Staat noch bereit wäre, zu gehen. Manche hatten sogar Angst vor all diesen Dingen.

Erst im November 2022 hat selbst der Minister mit Talkshowerfahrung über die Impfpflicht in der Pflege zugegeben: „Die Impfung schützt nicht mehr vor der Ansteckung. Wenn sie nicht mehr vor der Ansteckung schützt, dann gibt es auch keinen Grund mehr dafür in diesen Einrichtungen." Das war wirklich eine tagesaktuelle Erkenntnis. Genau wie das Versprechen einer Impfung ohne Nebenwirkungen, die ja niemals vorkommen, aber plötzlich doch. Für Betroffene leider zu spät.

Es wurden in den letzten Jahren Ängste geschürt, die insbesondere bei der jungen Generation irreparable Schäden hervorgerufen haben. Und so sitzen wir jetzt da, mit den angerichteten Schäden: Zunahme an Depressionen, Angststörungen, Essstörungen, Übergewicht etc. Da hilft im Nachhinein auch kein halbseidenes „Das würden wir jetzt so nicht mehr machen", kein „Aufhol-Programm nach Corona" und weitere Alibi-Handlungen, die so tun, als sei alles halb so schlimm und damit vergessen.

Kritik an den Maßnahmen wurde in den letzten Jahren oftmals im Keim erstickt. Leider auch innerhalb der Kulturbranche selbst. Mir schien, dass der politisch verordnete Stempel „nicht systemrelevant" bei vielen in der Branche dazu führte, dass alles getan wurde, um zu zeigen, dass man doch dazu gehörte zum System. Es war ja auch schwer genug zu erreichen, dass es wegen des Berufsverbotes Gelder gab. Zu groß war die politische Unkenntnis über unsere Branche. Aber es fehlte auch der Mut, „Nein! Wir beteiligen uns nicht unter diesen Umständen!" zu sagen und Kritik zu äußern. Zu abhängig waren viele von Fördergeldern, die z.B. an eine bestimmte Anzahl von Spielterminen gekoppelt waren oder auch erst von den politischen Entscheidungsträger*innen beschlossen werden mussten. Und wer will sich in Zeiten der Ausgrenzung schon unbeliebt machen und der „falschen" Seite angehören? So wurde von vielen Theatern jegliche Verordnung wie eine Auslastung von nur 25 Prozent im Winter 21/22 tatsächlich eingehalten und dennoch Auftritte gemacht. Nach so einer trostlosen Veranstaltung mussten vermutlich alle ins Wirtshaus gehen, wo natürlich nicht so strenge Regeln galten. Es wurden in dieser Zeit auf Bühnen auch Theaterstücke über Mobbing gezeigt. Erst wurden 2G Nachweise kontrolliert und wer keinen Nachweis hatte, musste draußen bleiben, dann wurde auf der Bühne vermutlich voll „pädagogisch" vermittelt, dass niemand ausgrenzt werden soll. In Bayern galt 2G, zeitweise auch 2G+ über 4 Monaten lang in der Kulturbranche. Nur wer mitspielte, durfte spielen.

Die Folge: Der Riss und der Unmut in der Gesellschaft sind größer geworden. Die politischen Verordnungen und der kritiklose Umgang der Mehrheit der Gesellschaft, haben ihren Beitrag dazu geleistet. Jetzt sollen auch noch die schnellen unbürokratischen Soforthilfen sofort und bürokratisch zurückgezahlt werden. Und dennoch werden aus der Kulturbranche die Rufe nach neuen Hilfspaketen laut. Wer mitspielt, darf spielen, aber nur, wenn gerade gespielt werden darf.

Ich schreibe diese Zeilen, weil ich nicht vergessen kann, was passiert ist und über vieles fassungslos bin, dass es so weit kam. Und wenn jemand sagt „Wir sind doch ganz gut durch diese Pandemie gekommen.", werde ich sagen: Sie vielleicht, aber ich und viele andere sind es nicht." Danke an alle, die kritisch geblieben sind.

 
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