Anonym: »Ich habe eine robuste Psyche und mein Ruf schien ruiniert.«
Ich wohne in Baden-Württemberg, bin Steuerberaterin, 54, verheiratet, Mutter von 2 Teenie-Mädels und Corona-ungeimpft, vor 2020 war ich Impfbefürworterin – jetzt nicht mehr. Für mich hat das Impfen nun mafiösen Charakter.
Ich spiele Tennis in einer Mannschaft, die zu drei Siebteln ungeimpft ist. Daher gab es dort keine Ausgrenzung, wir hatten uns alle weiterhin gern und keiner hatte Angst voreinander. Teile des TC-Vorstandes waren zum Glück auch ungeimpft, so gab es im Tennisclub keine Impfaktionen und keine Ausgrenzung zusätzlich zu den gesetzlichen Verordnungen.
Da ich mich früh als Coronakritikerin öffentlich positioniert hatte, über Facebook und Whatsapp-Status, wusste jeder, dass ich nicht geimpft war, und so konnte ich nicht ohne 2G-Nachweis in die Tennishalle, um zu trainieren oder einfach so zu spielen. Das ging von Oktober 2021 bis Dezember 2021 so, und dann habe ich mich absichtlich angesteckt, um wieder Tennis spielen zu können. Zum Glück fanden die Mannschaftsspiele erst ab Januar 2022 statt, denn ohne uns Ungeimpfte wären wir nicht spielbereit gewesen.
Ich konnte im Dezember keine Weihnachtsgeschenke in Stuttgart für meine Mädels kaufen, das mussten sie selbst tun. Das tat weh. Ich durfte an Weihnachten nicht in die Kirche, da bin ich dann ausgetreten.
Allerdings hatte ich mir im Laufe dieses unseligen Winters 21/22 ein renitentes Netzwerk aufgebaut, und jeder kannte jemanden, der sich nicht an die Regeln hielt. Darunter waren Gastronomen, Hoteliers, Haushaltswarengeschäfte, Boutiquen, Kosmetikerinnen, Handwerker, Buchhändler, Friseurinnen, Mediziner und Kollegen aus der Steuerberaterbranche. So war ich immer gut gekleidet, frisiert und gepflegt und bekam eine Pfanne vor Ort, Kleidung in Limburg, Bücher in Stuttgart und musste nicht asozial bei Amazon einkaufen. Diesen Geschäften bin ich immer noch dankbar, und die anderen Geschäfte nutze ich nicht mehr. Wer sich an Unrecht beteiligt, ist es nicht wert, unterstützt zu werden.
Es tat natürlich gut, nicht allein zu sein, und ich habe gemerkt, als ich als genesen galt und wieder an allem teilhaben konnte, dass mir diese Zeit der Ausgrenzung unter Duldung von Freunden und Mandanten sehr nahe gegangen war und ich das nie wieder durchleben wollte. Ich habe eine robuste Psyche, und mein Ruf schien ruiniert. Ich ging ohne Maske (mit Maskenbefreiung) in die Schule meiner Kinder. Dort wurde ich hinausgeworfen, und zweimal (in 2021 und 2022) wurde vom Rektor von meiner Wahl als Elternvertreterin abgeraten – wegen meiner Haltung zu Corona. Der Rektor musste sich neulich erst öffentlich für die Wahlbeeinflussung entschuldigen. Diese Sache ist für mich erledigt, aber das darf sich nie wiederholen. Das Verhalten der Eltern, die das Verhalten des Rektors mehrheitlich nicht nur geduldet, sondern auch goutiert haben, hat mich besonders entsetzt. Wie sollen Kinder im Sinne des Grundgesetzes aufwachsen, wenn die Eltern totalitäre Verordnungen gut finden? Wie sollen sie gern in die Schule gehen, wenn sie von den Lehrern mehrheitlich als ansteckende Gefahr angesehen wurden und auch bei Klassenarbeiten Maske tragen mussten? Wir Eltern haben bis auf wenige Ausnahmen versagt, unsere Kinder vor einem übergriffigen Staat und seinen Staatsdienern zu schützen. Auch ich konnte meine Kinder nicht schützen.
Eine Amtsrichterin hier am Ort ist auch Mutter an der Schule und hat erst im Herbst 2022 einer apfelessenden Demonstrantin 900 € Strafe aufgedrückt. Die Demonstrantin hatte zu lange am Apfel genagt und ist daher ihrer Maskenpflicht auf dem Marktplatz nicht nachgekommen. Was für ein irres Urteil! Wie ich gehört habe, wagt im Amtsgericht seitdem keiner mehr, in ihrer Anwesenheit einen Apfel zu essen.
Die Coronazeit bedarf der Aufarbeitung und gern auch der Strafe. Die Schäden insbesondere an Kindern und Alten waren vorhersehbar. Wir Eltern haben also auch als „Kinder“ versagt, denn wer hat denn öffentlich vor Altersheimen demonstriert und Einlass gefordert? Die Isolation von Alten war ein ganz schlimmes Kapitel, da haben wir auch nicht mitgemacht. Meine Schwiegermutter wurde im Herbst/ Winter 2021 regelmäßig von unserer ältesten Tochter besucht, um die fehlenden Kontakte der Freunde zu ersetzen. Erst hatten die Senioren Angst vor jedem, dann nur noch vor den Ungeimpften. Sie saßen bei der Panikmache bei ARD und ZDF ja auch jeden Tag in der ersten Reihe. Meine Schwiegermutter war übrigens aus eigenem Willen ungeimpft, bekam nie Corona und war dankbar für jede Ablenkung.
Mein Vater wohnt in einer Stadt, in der die Stadtkirche zum Impfen missbraucht wurde. Er wollte weiterhin dazu gehören und ließ sich impfen. Seine Geburtstage in 2021 und 2022 feierte er mit einer unerlaubten Anzahl an Gästen und war sich dessen nicht bewusst. Er haderte mit meiner Entscheidung, mich nicht impfen zu lassen, aber er freute sich über jeden Gast.
Ich bin inzwischen voll rehabilitiert, und einige haben Abbitte bei mir geleistet, was mir sehr gut getan hat. Dabei bin ich glimpflich, getragen durch geimpfte und ungeimpfte Freunde, Familie und Mandanten, durch diese Zeit gekommen. Viele Freundschaften entwickeln sich wieder auf ein Level wie vor 2020, manche sind noch in der Entwicklung, aber ich zögere nicht, das Thema Corona anzusprechen, und ich gehe auch aktiv auf die Freunde zu, die mir mal wichtig waren. Allerdings versöhne ich mich nicht mit jedem. Ein „Schwamm drüber“ gibt es mit mir nicht. Das Argument, man hat es nicht besser gewusst, lasse ich auch nicht gelten. Ich habe es besser gewusst, denn ich habe im April 2020 angefangen, die wöchentlichen Totenzahlen von Statista von 2020 mit den Vorjahren zu vergleichen. Ich habe Excel-Tabellen angefertigt und gesehen, dass wir im Frühjahr 2020 niedrigere Gesamttodeszahlen als 2017 oder 2018 hatten. Diese Zahlen standen im Gegensatz zur allgemeinen medialen Berichterstattung. Ich habe die Anzahl der Coronatoten ins Verhältnis zur Bevölkerung im In- und Ausland gesetzt. Ich habe das Alter der Toten in den RKI-Wochenberichten verfolgt. Der durchschnittliche Coronatote war immer Mitte 80, 65% der Coronatoten sind über 80 Jahre alt. 2020 sind 0,04%, 2021 0,09%, 2022 0,06% und 2023 bisher 0,01%, also ingesamt 0,2% der Bevölkerung Deutschlands an und mit Corona gestorben. Diese Zahlen sind offizielle Zahlen und waren für jedermann zugänglich. In Schweden ist die Sterberate ohne die Traumatisierung der Gesellschaft übrigens gleich, Schweden ist zu 88% urbanisiert, komme mir also keiner mit dem Präventionsparadox oder dass ganz Schweden Bullerbü sei.
Die Coronazeit war für mich eine Zeit des Briefe- und Mailschreibens an Wissenschaftler, Zeitungen, Politiker, Funktionäre, Ärzte, Kirche, Vereine, Behörden und Unternehmen. Es war eine Zeit des Vertrauensverlustes in all diese Institutionen, und dieses Vertrauen wird infolge deren fehlenden Aufarbeitungswillens nicht wieder aufgebaut. Das ist desaströs für unser Land. Ich engagiere mich nun im Grundrechtsverein 1bis19, in dem viele grundverschiedene Menschen zusammengekommen sind, die eines eint: die Liebe zum Diskurs. Es lebe unser Grundgesetz!
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