Anonym: »Ich habe weniger Vertrauen in die Menschen als vorher.«

Ich habe, was die Impfung anbelangt zunächst abgewartet, so dass sich erst ältere und vorerkrankte Menschen impfen lassen konnten. Es hat mich geärgert, dass manche sich da vorgedrängelt haben. Da ich jünger bin und selbst keine Vorerkrankungen habe, habe ich mich ausführlich informiert, ob die Impfung für mich Sinn macht. Ich habe mich in Absprache mit meinem Hausarzt gegen eine Impfung entschieden. Der Grund war, dass ich herausgefunden habe, dass die Impfung weder vor Übertragung schützt noch vor einer Erkrankung. Als ich dann ein positives Testergebnis hatte war ich erst erleichtert nun bald als „genesen" zu gelten und wieder teilhaben zu dürfen, aber doch auch beunruhigt ob meine Entscheidung richtig war und ich nicht doch schwer krank werden würde. Ich war dann nur ein paar Tage krank und habe mich viel geschont, dann war ich überm Berg. Ich habe niemandem einen Platz auf der Intensivstation weggenommen. Einigen meiner geimpften Freunde ging es ähnlich wie mir, andere Ungeimpfte und auch Geimpfte waren etwas länger krank, aber glücklicherweise nicht schwer.

Am meisten verletzt haben mich die Worte, die über uns Ungeimpfte gesagt wurden. Ich empfinde mich als sehr rücksichtsvollen Menschen und versuche immer schon, wenn ich krank bin, zu Hause zu bleiben, und niemanden anzustecken. Und plötzlich war ich der Feind. Ich habe versucht mit einigen engen Freunden ein Gespräch darüber zu führen und musste leider feststellen, dass es sie nicht interessiert hat wie es mir in dieser Zeit psychisch ging. Sie ließen mich spüren, dass sie meine Entscheidung falsch fanden, aber mochten nicht darüber diskutieren, sondern beendeten immer schnell das Gespräch.

Es macht mich immer noch traurig daran zu denken und ich denke nicht, dass ich ähnlich agiert hätte, wenn ich mich für eine Impfung entschieden hätte. Ich glaube ich hatte einen Wissensvorsprung über die Impfung und auch über die Risiken. Ich denke viele wollten einfach glauben, dass es ihnen hilft nach all den Lockdowns und Entbehrungen und manchen älteren oder vorerkrankten Menschen hat es sicher auch geholfen. Doch als ich gehört habe wie an Corona erkrankte Geimpfte gesagt haben, dass sie so froh sind, dass sie geimpft sind, denn sonst hätten sie Corona sicher noch viel schlimmer gehabt, musste ich an mich selbst denken und war mir nicht sicher, ob sie sich das nicht nur Schönreden. Mir fällt auf, dass viele Menschen zur Zeit sehr oft krank sind, aber vielleicht habe ich da auch einfach nur Glück. Meine Psyche hat allerdings schon gelitten und manchmal träume ich davon, dass Menschen nicht akzeptieren, dass ich da bin. Daher schreibe ich hier auch anonym, weil mir die Gesellschaft Angst gemacht hat. Ich habe weniger Vertrauen in die Menschen als vorher.

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